“Ein gutes Foto ist ein Foto, auf das man länger als eine Sekunde schaut.” (Henri Cartier-Bresson) – Für mich eines der besten Zitate in der Welt der Fotografie. Selbst in der heutigen Zeit von Facebook, Instagram und Co gibt es immer wieder das eine oder andere Bild an dem unser Blick hängen bleibt. Bei dem wir das durchscrollen unterbrechen und dem Beitrag einen Kommentar oder zumindest ein Like hinterlassen. Und zwar unabhängig davon ob es vom Fotograf oder vom Model gepostet wurde 😉 Aber wie kommt man zu so einem Bild? Dazu möchte ich heute ein paar Gedanke loswerden.

Auf einer Plattform für Fotografen und Models bin ich vor ein paar Tagen über das Angebot eines Modelsharings gestolpert. Fünf Models und fünf Fotografen für einen ganzen Tag in einer alten und verlassenen Industrieanlage, das klingt doch erstmal nicht schlecht. Nach der ersten Kontaktaufnahme mit dem Anbieter bekam ich dann auch recht schnell die Daten der Models und der Location geschickt. Allerdings war mir eigentlich relativ schnell klar, dass diese Veranstaltung wohl eher nichts für mich sein wird. Bei den Unterlagen mit den Sedcards der Models und der Beschreibung der Location (die wirklich klasse ist), lag zusätzlich auch noch ein ausgearbeiteter Ablaufplan für die einzelnen Shootings bei. Demnach hätte jeder Fotograf max. 20 Minuten Zeit gehabt pro Shooting. Das Ganze dann noch mit vorher festgelegten Outfits, damit auch jeder Fotograf jedes Model mit jedem Outfit shooten kann. Ein vermutlich unbekanntes Model, eine fremde Location und eine völlig unplanbare Lichtsituation. Glaubt jemand ernsthaft, dass bei so einem Termin, außer durch Zufall, ein gutes Bild entstehen kann?

Die Möglichkeiten eines Peter Lindbergh, der am Strand mal kurzerhand ein kleines Studio aufbaut und meistens internationale Topmodels vor der Linse hat, werden wohl die wenigsten von uns haben. Aber gerade außerhalb des bekannten Studios bedarf es deshalb viel mehr Planung und auch Zeit um wirklich ansprechende Bilder zu bekommen. Nur wer zur ‘richtigen’ Zeit vor Ort ist, genügend Zeit mitbringt und dabei ruhig agiert, sieht und nutzt das Potential einer Location wirklich. Und das ist nur die Location, da gibt es ja auch noch das Model 😉 Wenn wir keine Zeit gehabt hätte wären wir an folgender Location vermutlich achtlos vorbeigegangen und das wäre doch nun wirklich schade gewesen.

“Hoffentlich sagt Sie nicht ab. Ich brauche jetzt einen Kaffee. Vielleicht sollte ich lieber nochmal einen Blick in meine Tasche werfen. Sind die Karten leer? Habe ich Filme eingepackt? Sind die Akkus voll? Was ist, wenn plötzlich eine Blockade habe? Ich will nicht, dass die Location verursacht, dass ich mich fotografisch wiederhole. Ich möchte nicht wirken wie eine schlechte Kopie von ihm. Was ist, wenn Sie sich nicht wohl fühlt? Heute mache ich das beste Bild meiner fotografischen Laufbahn. Aber was ist das beste Bild? Das mit den meisten Likes oder das, was mich am meisten berührt, wenn ich es sehe? Oder das, was Sie am tollsten findet? Was findet Sie toll? Eher geposte Fashion-Sachen oder natürliche Portraits? Uns anschweigen werden wir schon nicht. Wir haben genug Möglichkeiten, ich kann ja machen, was ich will. Ist das eigentlich Freiheit oder Anarchie? Lass Dir Zeit, Du brauchst Dich nicht beeilen.
Tu Dir mal die Ruhe an.

Stimmt, das ist es.
Beruhig Dich.
Das ist der Schlüssel zu guten Portraits.

Ruhe.”

Diesen zu dem Thema passenden Beitrag von Robin Disselkamp entdeckte ich zufällig heute Morgen auf Facebook. Vielen Dank Robin, dass ich dich hier mal direkt zitieren darf 🙂 Viel passender kann man es wohl nicht ausdrücken. Letztendlich führt der Weg zu einem guten Bild immer auch über den Faktor Zeit. Durch eine fehlende Vorplanung, Zeitmangel oder eine zu große Erwartungshaltung entsteht eine Stresssituation die im Normalfall eher zu keinen guten Ergebnissen führen wird. Und damit ist keineswegs nur der Fotograf gemeint.

Natürlich wird es leichter wenn man sich gegenseitig schon kennt und eine Vorstellung davon hat, wie der Gegenüber tickt. Aber selbst dann hat das Model vielleicht eine neue Frisur, ein anderes Make-Up oder evtl. ein paar Kilo abgenommen. Die Parameter ändern sich. Und das muss der Fotograf erkennen und darauf reagieren können. Jeder Fotograf hat hier eine andere Herangehensweise. Der eine trinkt einen Kaffee mit dem Model und beobachtet es dabei, der andere shootet direkt los und nähert sich so dem ‘optimalen’ Ergebnis. Völlig egal wie, das herantasten kostet Zeit. Und je unerfahrener das Model ist, umso mehr Zeit müsst ihr hierfür einplanen. Zeit die ihr beim eigentlichen Shooting übrigens wieder verliert wenn ihr eure Handwerkszeug nicht beherrscht. Das aber nur am Rande. Aber auch die Location kann mehr Zeit benötigen als erwartet. Ich war zum Beispiel schon etliche Male an dem See an dem die beiden Beitragsbilder entstanden sind, aber sowohl der Fels als auch die Hütte waren vorher noch nie da. Der Fels ist nur dem niedrigen Wasserstand geschuldet, denn er liegt normalerweise unter der Wasseroberfläche. Die Hütte steht da nur weil vor kurzem ein kleines Festival dort stattgefunden hat. Bei beiden wäre es doch schade gewesen wenn wir nicht mehr die Zeit gefunden hätten die Chance zu nutzen um diese Bilder zu machen. Ihr könnt so gut geplant haben wie ihr wollt, aber irgendwas kann immer plötzlich anders sein. Wenn ihr dann keine Zeit habt, darauf zu reagieren fahrt ihr im schlimmsten Fall ohne ein einziges Bild nach Hause.

Was ich damit sagen will: Nehmt euch Zeit! Sowohl bei der gemeinsamen – das beugt Missverständnissen vor 😉 -Planung, bei der Nachbearbeitung und vor allem auch beim Shooting selbst. Sorgt für eine entspannte Stimmung am Set, plant Pausen ein. Nichts ist schlimmer als ein gestresstes/hungriges/durstiges und deswegen schlecht gelauntes Model. Sprecht euch im Vorfeld mit dem Model ab, damit auch von dieser Seite die Zeitplanung stimmt. Eure Bilder werden es euch danken. Das gilt natürlich nicht nur für die Porträtfotografie, sondern eigentlich für alle Aufnahmebereiche. Grundsätzlich ist es besser ein oder zwei richtig geile Bilder mit nach Hause zu nehmen, als 30 durchschnittliche. Und deshalb kann ich jedem eigentlich nur folgenden Rat geben: Probier’s mal mit Gemütlichkeit 😀