Heute möchte ich euch mal ein erstes kleines Fazit zur Canon EOS R geben. Der Entschluss mir einen neuen Body zuzulegen war ja schon länger gefallen. Meine 5D III hat mittlerweile knapp 150.000 Auslösungen runter und mit meinem bisherigen Back-Up (Fuji XT-2) bin ich nie wirklich warm geworden. Zur Auswahl standen mehrere Optionen: Zum einen natürlich die 5D Mark IV, die EOS R, die Sony A7 III und eine der beiden neuen Panasonic. Die neuen Nikon DSLMs können im Grunde nichts besser oder schlechter als Canon und stehen deswegen eigentlich gar nicht erst zur Debatte. Obwohl sie bestimmt keine schlechten Alternativen wären, schieden aus Gründen der mangelnden Testbarkeit bzw. mir fehlenden persönlichen Erfahrungsberichten (ich kenne wirklich niemanden der eine Panasonic hat) die S1 und S1R eigentlich ebenfalls von vorneherein aus.

Die Sony A7 III hatte ich dann eine Woche zum Testen zu Hause. Da muss man jetzt keine großen Worte drüber verlieren, die Bildqualität, Dynamik, Autofokus und fast alle anderen für mich interessanten Eigenschaften sind da natürlich top. Mit einer Ausnahme: Die Sony hat einfach ein fürchterliches Handling. Das fängt an wie sie in der Hand liegt. Mit Batteriegriff wird das etwas besser, aber auf den möchte ich aus Gewichts- und Größengründen eigentlich verzichten. Die Menüstruktur und Bedienung sind für mich ebenfalls völlig unverständlich. Keine Ahnung was sich Sony dabei gedacht hat, aber das ist wirklich ein Paradebeispiel wie es nicht sein sollte. Eine Kamera ist ein Werkzeug und das muss einem liegen. Das ist für mich bei der A7 III einfach nicht der Fall. Außerdem hätte eine Sony, wie auch eine Panasonic, bedeutet, dass ich mir ein komplett neues Objektiv Setup aufbauen hätte müssen. Alle diese Nachteile zusammengezählt und gewichtet, war es dann eigentlich klar, dass ein Umstieg derzeit der falsche Weg für mich ist.

Da war es dann eigentlich nur noch die Frage ob es die 5D IV oder die R werden soll. Warum also die R? Zum einen bin ich das Problem mit Front- und Backfocus leid, zum anderen bietet mir die R aber auch ein Feature, dass gerade für mich als Menschenfotograf eine unheimliche Erleichterung darstellt – den Eye-AF. Und den wollte ich in einer neuen Kamera auf jeden Fall haben. Was für andere eher Nebensächlich sein mag, stellt für mich eigentlich die Hauptkriterien für die Auswahl dar. Der Rest ist, bis auf ein paar Ausnahmen auf die ich noch zu sprechen komme, sowieso Canon typisch auf hohem Niveau. Das typischen theoretischen Forendiskussionen um Sensor oder Dynamik von Canon sind für mich seit der 5DIV keine Erwägung mehr wert. Die Unterschiede sind mittlerweile so gering geworden, dass diese Themen für mich derzeit keine wichtige Rolle bei so einer Entscheidung spielen. Aber nun im Einzelnen zu den für mich wesentlichen Punkten:

Haptik / Bedienung

Das Handling ist Canon üblich auf hohem Niveau und die Kamera liegt selbst mit größeren Objektiven wunderbar in der Hand. Die Menüs und Bedienelement liegen da wo sie hingehören und man findet sich sofort zurecht. Wer bereits eine einstellige Canon sein eigen nennt wird sich beim Handling bei der R sofort zuhause fühlen alle anderen werden aber auch keine große Eingewöhnungszeit brauchen. Eine kleine Ausnahme gibt es hier aber – die neue Touchbar. Nicht nur, dass man des Öfteren unbeabsichtigt draufkommt, da sie zu knapp neben der Daumenablage sitzt, sie passt von der Bedienung her auch einfach nicht zum Gesamtkonzept. Ein Joystick wäre hier nicht nur wegen der Vermeidung von Fehlbedienungen sondern auch aufgrund der wesentlich flexibleren und variantenreicheren Steuerungsmöglichkeit die bessere Wahl gewesen, 

Verarbeitung und Abdichtung

Nichts knarzt oder klappert, der Body macht insgesamt einen hochwertigen Eindruck. Die Abdichtung ist wie bei allen Vollformat Bodys von Canon vorhanden aber es wird wie bei fast allen Herstellern üblich keine Zertifizierung angegeben. Ein Regenshooting habe ich damit absolviert, Probleme traten keine auf, aber genauere Aussagen kann man zu diesem Thema einfach nicht treffen ohne die Kamera auseinanderzubauen und gründlichen Tests zu unterziehen.

Sucher

Alle vor der EOS R oder den neuen Sony Modellen vorgestellten elektronischen Sucher hätte ich nicht mit der Kneifzange angefasst. Grobe Pixel, Schlieren, Geruckel und grauenhafte Farbtöne und Kontraste – das ist die Kurzbeschreibung aller vorheriger Displays. Aber hier muss man Canon wirklich bescheinigen alles richtig gemacht zu haben. Wenn man mal von schnellen Bewegungen absieht, dann merkt man nach kurzer Zeit eigentlich gar nicht mehr, dass man da wirklich nur ein digitales Abbild sieht. Auch die ebenfalls guten Sony Sucher haben da das Nachsehen. Da ist Canon wirklich ein großer Wurf gelungen. Die Farben wirken harmonisch, es gibt keine sichtbaren Pixel, die Vergrößerung ist völlig ok und die Einblendungen sind da wo sie sein sollen. Für Sport oder schnelle Bewegungen gelten allerdings die gleichen Einschränkungen wie bei allen derzeit erhältlichen Suchern, weswegen dafür eine DSLR immer noch die bessere Wahl darstellen. Die Reaktionszeit, der kurze Auslese Blackout und das leichte Ruckeln bei Bewegungen verhindern die gleiche Effektivität wie bei einem optischen Sucher.

Klappdisplay / Touchscreen

Kurz und knapp – ein Traum. Die Auflösung, Konfigurierbarkeit, Anzeige, Einblendungen, Empfindlichkeit, Bereichsauswahl und alles andere ist einwandfrei. Die Montage des Displays ist gut gelungen und macht einen stabilen Eindruck. Mehr gibt es dazu eigentlich nicht zu sagen.

Fokus

Der AF ist mit Ausnahme des Eye-AF auf einem sehr guten Level. Die Treffsicherheit ist selbst bei sehr wenig Licht phänomenal und die Geschwindigkeit steht dem einer DSLR im Sucherbetrieb in nichts nach. Zum Zusammenspiel mit älteren Objektiven kann ich hier aber leider nichts sage, da ich keine mehr besitze. Mein EF 135 2.0 ist das älteste Objektiv und das funktioniert einwandfrei. Selbst mein an der 5DIII oft zickiges Sigma 35 1.4 Art erfährt durch die R eine deutliche Leistungssteigerung in Bezug auf die Treffsicherheit. Der Ausschuss zwecks Fehlfokussierung durch die Kamera hat sich praktisch auf 0 verringert. Eigene Dummheit vermag die R natürlich nicht zu bekämpfen 😉 Doch nun zu der Schattenseite auf diesem Gebiet: Der Eye-AF ist eher rudimentär und keinen Vergleich mit z.B. einer Sony wert. Damit der Eye-AF überhaupt greift müssen beide Augen ziemlich plan zur Sensorebene liegen und ziemlich groß im Bild sein. Das gilt auch für den AF-C (Servo) Modus. Der Fallback falls der Eye-AF nichts findet, ist völlig unkontrollierbar. Anstatt hier einfach einen einzelnen Fokus Punkt anzubieten wird teilweise auf irgendeinen unkontrollierbaren Mehrfeld Modus geschaltet. Das ist völlig sinnfrei in der Menschenfotografie. Hier wird es hoffentlich irgendwann mal ein Softwareupdate geben, denn in dieser Form ist der der Eye-AF für mich max. bei Studioporträts nutzbar.

NACHTRAG: Seit der Firmware 1.4.0 ist auch der Eye-AF auf einem sehr guten Niveau. Selbst die Verfolgung funktioniert jetzt einwandfrei. Da hat Canon wirklich blitzsaubere Arbeit geleistet.

Der manuelle Fokus funktioniert dank Assistent und Peaking einwandfrei und bietet selbst bei Offenblende eine gute Möglichkeit zu fokussieren, wenn der AF mal Probleme bekommen sollte. Gerade bei Störungen durch Objekte vor dem eigentlich Ziel eine sehr nützliche Angelegenheit und sicherlich eine der Stärken eines spiegellosen Systems.

Akku

Da ich gerne ohne Batteriegriff arbeite, hatte ich hier im Vorfeld größere Bedenken. Völlig umsonst, wie ich mittlerweile feststellen durfte. Ich habe mittlerweile Shootings mit knapp 2000 Bildern mit nur einem einzigen Akku hinter mich gebracht. Da bin ich auf jeden Fall sehr angenehm überrascht. Sehr gut ist auch die Kompatibilität zu anderen Modellen wie meiner 5D Mark III. Dadurch ist es völlig egal welcher Akku in welchem Ladegerät geladen wird und die Akkus sind auch beliebig untereinander wechselbar, trotz ihrer unterschiedlichen Bezeichnung.

Sensor/Bildqualität

Die Farben sind top, die Bildqualität ist seit dem letzten Update über jeden Zweifel erhaben. Dynamik, Rauschen und alles andere sind für mich wie bereits erwähnt keine Diskussion mehr wert. Die Unterschiede sind da, auch zu den Vollformat Spitzenmodellen, eigentlich nur noch messbar aber haben keinerlei Auswirkungen mehr auf das Arbeiten oder das fertige Bild.

EF Adapter

Passt perfekt und stört im Alltagsbetrieb überhaupt nicht.  Im Mischbetrieb mit EF und RF Objektiven mag es vielleicht etwas störend sein diesen evtl. mit dem Objektiv abnehmen zu müssen, aber den Fall habe ich momentan nicht.  Und das spielt auch wirklich nur eine Rolle, wenn man zwischen drei oder mehr Objektiven hin und her wechselt. Durch die Möglichkeit Adapter mit Grau- oder Polfilter einsetzen zu können erhält man hier einen echten Mehrwert.

Film

Da ich selbst kein Filmer bin und keine Videos drehe kann ich hierzu leider gar nicht sagen.

Was fehlt oder stört?

Es fehlt ganz klar der zweite Kartenslot. Bei wichtigen Veranstaltungen hat man keine Chance diese zu wiederholen wie ein Porträtshooting. Wenn da die Karte kaputt geht und man am Ende ohne Bilder dasteht wird es schnell peinlich und geschäftsschädigend. Ein zweiter Slot bietet da einfach etwas mehr Sicherheit. Die Sicherung über das W-Lan funktioniert leider weder von der Geschwindigkeit, her noch geht es überhaupt für RAWs.

Ein weiterer Drehring am Body wie bei der 5er Reihe wäre für eine leichter Bedienung unheimlich wertvoll. Klar kann man sich einen Adapter mit Drehring kaufen oder ein RF Objektiv, welches diesen schon hat, aber so muss man da teilweise ins Menü oder sich anderweitig behelfen.

Ebenso ist es für mich unverständlich, dass man keine vorbelegbaren Modi hat. Der neue Fv Modus ist klasse, kann diese aber nicht ersetzen. Auch das nervige Problem der ISO Einstellung ist wieder nicht angegangen worden. Warum merkt sich der Body bei den verschiedenen Modi nicht seine letzte ISO Einstellung in diesem? Das nervt total.

Ein Joystick anstelle der Touchbar würde einfach mehr Möglichkeiten und eine intuitivere Bedienung ermöglichen. So nett der Touchscreen manchmal ist, so störend kann er auch sein bzw. ist eine Fokuspunktverschiebung bei der Verwendung von schweren Objektiven über den Touch auch schlichtweg nicht möglich, ohne die stützende Hand unter dem Objektiv wegzunehmen.

Und last but not least wäre natürlich ein eingebauter Stabilisator klasse. Ein Stabi der auch mit einem bereits im Objektiv vorhandenen zusammenarbeiten kann, um noch längere Belichtungszeiten aus der Hand zu ermöglichen. Das sollte heutzutage eigentlich Standard sein in einem Body der eine UVP von knapp 2500 € hat.

Fazit

Die R ist sicherlich keine perfekte Kamera, dazu fehlen ihr ein paar wichtige Merkmale. Aber sie liegt gut in der Hand und das Handling ist Canon typisch gut. Das macht das Arbeiten für mich leichter, da man sich mit zwei weiteren Canons im Haus nicht ständig komplett umgewöhnen muss. Kleine Änderungen sind aber natürlich doch zu spüren. Der Adapter sitzt einwandfrei und hat keinerlei negative Auswirkungen, ganz im Gegenteil. Die Bildqualität ist einwandfrei, die Serienbildgeschwindigkeit, der AF und alles andere sind für meine Art der Fotografie völlig ausreichend. Die 30 MP langen für mich völlig, hier würde ich mir sogar einen Stopp des Pixelwahnsinns wünschen. Mehr Pixel hätten für mich eigentlich nur noch Nachteile. Insgesamt ist die R für mich eine gute Ergänzung und dient mir bei Porträtshootings mittlerweile als Hauptkamera, während sie bei Hochzeiten etc. nur als Backup zum Einsatz kommt. Wer mit den genannten Einschränkungen bezüglich zweitem Slot, Joystick oder Stabilisator keine Probleme hat, bekommt auf jeden Fall ein vernünftiges Werkzeug mit dem die Arbeit Spaß macht.

Die Bilder im Beitrag sind alle mit meiner derzeitigen Lieblingskombination, der EOS R mit dem Tamron 85 1.8, entstanden. Falls ihr noch Fragen habt oder Anmerkungen dürft ihr die natürlich gerne kommentieren oder mir eine Nachricht schicken.

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